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Trinkverhalten im Radsport

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Viel hilft viel?!

 

Im Rahmen meiner Semesterarbeit habe ich mich eingehend mit dem wie, wann und vor allem wieviel des Trinkens im Ausdauersport beschäftigt. Mein Fazit: viel zu viele Radsportler trinken zu viel, hören nicht auf ihren Körper und sind Sklaven von Faustregeln geworden, die ihre Leistung sogar mindern können.

1 Stunde = 1 Flasche?

Dies sei nur ein Beispiel für einen Leitsatz, der vermutlich den wissenschaftlichen Stand vor einigen vielen Jahren präsentiert. Trotzdem halten sich solche und ähnliche Regeln sehr hartnäckig, selbst in einschlägigen Zeitschriften (Rennrad-Bravo) wird regelmäßig dazu geraten, möglichst viel Flüssigkeit in sich hineinzukippen. Zuletzt geschehen im Heft 08/13, wo “Ernährungsexpertin” Mäder zum Trinken von 150 ml aller 15 Minuten rät. Ein Organigramm am Artikelende zeigt: bei 4stündiger Belastung macht das ca. 2,3 l!

Komisch, habe ich doch die NSC 2013 mit deutlich weniger als der empfohlenen Flüssigkeit gefinisht – 1,4 l, das macht 60% der empfohlenen Menge.

Dass dieses Trinkverhalten sich nicht wirklich an den realen Bedürfnissen des Sportlers orientiert, scheint klar zu sein, schließlich heißt es meist im Einklang: “Trinken Sie am Besten, bevor sie Durst haben – denn dann ist es meist zu spät”. Zu spät? Für was? Kippe ich vom Fahrrad, wenn ich Durst habe?

Ausblick in andere Sportarten

Auch wenn sich der Radsportler sehr gern vom Fußball distanziert, hier lohnt sich auch der Blick zu den kickenden Kollegen, denen ich auch gewissermaßen (als Nachwuchstrainer und Spieler a.D.) angehöre. Auch hier hält sich die Mär von der bösen, bösen Dehydrierung. In 90-minütigen-Einheiten sind selbst im Stützpunktbereich  (d.h. auf Ebene des DFB) mehrmalige Trinkpausen zu beobachten. Selten fordern dies die Spieler selbst ein. Der Trainer höchstselbst warnt vor dem Auslassen des Trinkens, aber warum?

Folgen einer Dehydrierung

Schwindel, Übelkeit, Ohnmacht. Das sind die einschlägig bekannten Folgen eines Liquiditätsmangels. Die gefürchteten Muskelkrämpfe rühren aus einem Mineralstoffmangel, sind also nicht direkte Folge einer Dehydrierung. Weiterhin wird oft das Gespenst der “Leistungsminderung” in den Raum geworfen. Doch stimmt es, dass eine Dehydrierung gezwungenermaßen die Leistung mindert?

 

Quelle: mrjonathanpotter/flickr

Quelle: mrjonathanpotter/flickr

Um es vorweg zu nehmen: nein!

In Kreisen von Sportmedizinern gilt eine Dehydrierung bis ca. 2,5% als völlig unproblematisch und somit normal. Diversen Tipps aus Wiegen vor und nach dem Sport einen Ausblick auf das richtige Trinkverhalten zu erhalten ist somit kein Glauben zu Schenken. Das bestätigt auch meine Erfahrung in den Neuseenclassics, welche ich laut Corinna Mäders Empfehlung unterversorgt fuhr und trotzdem (oder gerade deshalb) ein für mich gutes Rennen fuhr.

Diese These ist, wenn sie auch selten beachtet wird, wissenschaftlich untermauert. Wissenschaftler aus Oxford bewiesen, dass eine leichte Dehydrierung sogar die Leistung steigere – einfache Erklärung: durch das gesunkene Körpergewicht muss weniger Masse bewegt werden, ein oft angestrebtes Ziel in Zeiten von ausgehöhlten Ausfallenden welche ganze 14 g Gewicht sparen.

Noch krassere Beispiele findet man bei erfolgreichen Marathoni, beispielsweise Alberto Salazar, welcher ganze 8 % seines Körpergewichts während seines knapp 2-stündigen-Marathons verlor.

Warum also wird immer wieder so einseitig vor dem zu-wenig-Trinken gewarnt, anstatt auf das Körpergefühl zu lauschen?

Meine Vermutung: Pläne sind chic, modern und einfacher zu befolgen als auf den eigenen Körper zu hören. In Zeiten, in denen klare Regeln und Pläne einfach besser ankommen als ein Verweis auf den Urinstinkt des Menschen – Durst.

Gefahren

Aus dieser Konstellation ergeben sich gleich 2 große Gefahren: einerseits die Gefahr, dass viele Hobbyfahrer und Radsporteinsteiger überhaupt nicht von einer Überhydrierung wissen. Ein zuviel gibt es für Viele nicht, nur ein zu wenig. Und das ist fatal. Denn hier sind wir bei der zweiten Gefahr – den realen Folgen einer Überhydrierung, welche nicht selten ähnliche Symptome vorweisen, wie bei einer Dehydrierung. Hirnödeme und eine Hyponaträmie sind Folgen, welche auf dem Leitspruch “Trinken, trinken, trinken” fußen. Erschreckend: Dr. Carl Heneghan behauptet, es gäbe keinen, in der Literatur dokumentierten, Fall von Dehydrierung als Todesursache, sehr wohl jedoch für Überhydrierung.

Besonders tückisch ist also vor allem die einseitige Berichterstattung, in der suggeriert wird, dass Dehydrierung das einzig Gefährliche ist, von einer Überhydrierung ist kaum die Rede.

 

Quelle: nuestrociclismo.com/flickr

Quelle: nuestrociclismo.com/flickr

 …und nun?

Wenn man sich nicht auf mittlerweile veraltete Pläne von Ernährungswissenschaftlern verlassen kann, auf was dann? Die Antwort ist einfach: auf sich selbst und das individuelle Durstgefühl. Es ist bewiesen, dass der Moment des Durstgefühls nicht zu spät ist, sprich: der Durst ist nicht Vorbote eines Leistungseinbruchs, sondern viel mehr Signal, nun Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Es besteht also keine Veranlassung, bereits davor zu trinken und so diese Sensibilität zu stören und sich zum Sklaven von Trinkplänen zu machen. Nichtsdestotrotz ist vor allem an heißen Tagen darauf zu achten, überhaupt erst genügend Flüssigkeit verfügbar zu haben, um das Durstgefühl zu stillen.

 

 

Wie sieht es bei euch aus? Seit ihr eher Vieltrinker oder eher Minimalist und fahrt mit einer Flasche raus? Ich würde mich sehr über Kommentare freuen.

 

 

 

Quellen:

  • Artikelbild: FaceMePLS/flickr
  • http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/default.aspx?sid=819097&cm_mmc=Newsletter-_-Telegramm-C-_-20120803-_-Neuro-psychiatrische+Krankheiten
  • http://www.bmj.com/content/345/bmj.e4848
  • http://www.netzathleten.de/Sportmagazin/Gesundheits-Ernaehrungs-Fitness-Mythen/Ausgetrocknet-So-erkennt-man-eine-Dehydrierung/3400392109226086109/head
  • http://www.leistungssport.com/Mineralwasser/Fl%C3%BCssigkeitsversorgungimSport/tabid/2995/language/de-DE/Default.aspx
  • http://triathlon-fuer-einsteiger.de/allgemein/keine-sicheren-symptome-fuer-dehydrierung/
  • http://www.joggen-online.de/gesundheit/sportverletzungen/dehydrierung-beim-sport.html
  • http://hammergel.de/ausdauersport-fehler.html

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